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Verfall nicht in liebe verfall

Auf der Kaffeekettenkaffeetasse steht: Forget love… fall in coffee.

Hihi. Verstehen Sie? Wegen „fall in love“! Verstehen Sie, wegen dieses Idioms, man sagt doch „fall in love“, also im Englischen, zu deutsch eben: sich verlieben, wobei im Englischen eben dieser Sturz („fall“) und damit ein Moment der Kontrollosigkeit und damit also eine unfreiwillig erfahrene Auslieferung des Indviduums an das Gefühl, Liebe, nicht Schwerkraft, beschworen wird, was im Deutschen natürlich in „verlieben“, was vielleicht unangemessen aktivisch daherkommt, gar nicht mitschwingt. Daher das englische Idiom, eben auch um diesen Geistesblitz kreieren zu können, verstehen Sie?, diesen Sprachwitz als Geistesblitz, verstehen Sie?, das reimt sich nämlich, das bietet sich an, so wie die Werbung, verstehen Sie jetzt? Im Deutschen fällt man ja nicht in Liebe. Man verfällt, im Deutschen verfällt man. Und wer dachte, dass im Deutschen mit dem Prozess des Verliebens kein Moment der Kontrollosigkeit assoziiert wird, sieht sich hier mehr oder weniger und je nach Geistesherkunft (un)angenehm überrascht: während der dürftige Metaphernraum des Englischen hier nur ein der gleichgültigen Gravitation assoziertes Stürzen hergibt, evoziert das Deutsche kein akzidentielles Fallen – was genauso gut auf Wankelmut, Sturzsucht, Tölpelei, schiere Unachtsamtkeit oder einen vom Tagesgeschäft überforderten Bewegungsapparat zurückgehen kann -, sondern einen potentiell Geist und Körper ruinierenden und letztlich möglicherweise vollständig vernichtenden Verfall. Das vergisst man gern, also forget love. Es scheint sich dementsprechend geradezu naturgemäß anzubieten, dass dieser oft schmerzliche und Existenzen an die Grenzen ihrer selbst führende Prozess hier mit dem Konsum von Kaffee verknüpft wird, in einem Akt gewitzter Geistesblitzmitteilungsfreude. Verfall nicht, fall in den Kaffee. Und dennoch…

Ist es nicht erstaunlich, dass diese idiotische Abweichung vom Idiom ihren Weg bis zur Iris des irritierten Betrachters findet? Ist es nicht erstaunlich, wie Werbung um der Pointe willen völlig dem Wahnwitz verfällt? In seiner Belanglosigkeit verdient sie eigentlich keine Zeile, es sei denn als betonte Belanglosigkeit, verstehen Sie? Und doch, selbst wenn die meisten dieses Produkt einer Gehirnerkältung samt tropfendem Gehirnschleim nicht weiter bedenken, ist es nicht ein gutes Beispiel? Es ist nicht erstaunlich, dass sich im Versuch einer Mentalitätsbeschwörung eben jene Mentalität der Kette|des Konsums|des guten alten Kapitalismus peinlich brutal und nackt zeigt: Vergiss was auch immer und kauf (zum Trost). Ich erzähl dir – nicht als ich selbst, sondern als Instrument des allgemeinen Verkaufs – irgendeinen bestenfalls völlig überflüssigen, schlimmstenfalls ansteckenden Rotz, damit du wasauchimmer kaufst; aber im Grunde ist es doch egal, mir egal, dir egal, das ist das Produkt, da ist ein Spruch drauf, man macht eben Werbung, nun lass gut sein und kauf. Die Worte sind genauso egal, ob dagegen, darüber, darum, ganz egal. Längst haben sie alle Bedeutung eingebüßt, alle Eigenständigkeit, sie stehen nur noch irgendwo drauf und irgendwo rum und nicht mal mehr im Weg, sie sind, wenn sie überhaupt noch sind, verzweckte Wegbereiter, Bereiter des immerselben Weges und wenn Sie verstehen, dann wissen Sie, wohin, sie sind angelegte, in Haft gelegte, mehr oder weniger fest justierte und mehr oder weniger geölte Schraubzwingen und streichelzarte Schlingen; was die Worte frei wären, ohne den Instrumentalisierungsgriff, egal. Das Produkt ist sowieso egal; einzig die Transaktion ist nicht egal, sie, die große Federführerin und Federführerverführerin, verstehen Sie?, der Rest ist egal, der Rest wird vergessen: was für ein Kaffee? was für eine Tasse? was für Individuen? was für ein Verlieben? egal, vergiss es, verfall.