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Sonnenschein für Langstreckenraketen ohne Ziel

Ob ich das nicht kenne: erst alles Dunkel und gar nicht der Gedanke daran, die Augen zu öffnen, seinen Körper zu spüren, kein Gefühl dafür und kein Gedanke daran, im Grunde körperlos, weil dessen nicht bewusst und geistlos ohne Punkt oder Unterscheidung im allangleichenden Dunkel, gar keine Möglichkeit zu irgendwas. Dann plötzlich Schub, Feuer, Hinauskatapultiertwerden unter donnernden Explosionen, nur Antrieb, flirrende Nerven und Flug in den leeren Himmel und die Frage: warum und wohin. Auf jeden Fall: ziellos, einmaliger Flug, auf jeden Fall tödlich, weil menschlich, tödlich für sich wie für andere, den Tod bringend, allerdings ohne Hermes‘ Eleganz, stattdessen nur als Vermittler ohne Botschaft, letztendlich nur Sprengstoff unter einer gleichgültigen Sonne. Das Grab, der Einschlag nicht als Ziel, nur als Ende, ergo ziellos. Ob ich das nicht kenne, die Angst vor dem Einschlag.

Das Bild muss modifiziert werden, dachte ich, ohne den Gedanken jedoch klar fixieren zu können. Also, lieber F., ich hab nur n Kaffee lang Zeit, drum Folgendes zur Notiz und möglichst vage, damit jeder selbst denke: Jein. Nichts ist nur Rakete, nicht mal die Rakete selbst. Schneide man das Bild der Wirklichkeit nicht gar zu eng, der Rahmen sollte schon dazugehören – ebenso die Umgebung jenes Rahmens, die Wände der Umgebung, die Umgebung der Wände usw. Ich will fast sagen: Du bist auch alles Nichtbeschriebene: die Abschussbasis, Schub und Sonnenschein und leerer Himmel, zu dem sich Wolken denken ließen, wenn man sie denn dächte: Und ebenso ist jedes Ziel: erdacht – und nicht nur eines, so wenig wie du nur Rakete, Krieg und Ort des Einschlags bist. Bis zum Grab drum bitte alles sein.